14. Dezember 2025
Mystik statt Dogma!
Sollten die Kirchen mehr Mystik wagen?
Während viele den Bedeutungsverlust der christlichen Kirchen beklagen, wird dies schnell mit einem
Verlust von Glauben insgesamt gleichgesetzt. Dabei sind religiöse Bedürfnisse ungebrochen vorhanden
und zeigen sich anderweitig, z. B. im weiten Feld von Spiritualität.
Auch der politische Bereich öffnet sich für religiöse Begriffe. Die Debatte kreist um die Frage, ob die
Kirchen politisch auftreten oder sich eher auf „Gott“ beziehen sollten. Dies übersieht jedoch wesentliche
Elemente. Betrachtet man nämlich die spirituelle Szene genauer, so wird darin ein Bedürfnis nach
unmittelbarer Erfahrung des Transzendenten deutlich. Die direkte Gotteserfahrung artikulierte sich seit
dem Mittelalter als Mystik und stand stets in einem Spannungsverhältnis zum Dogma. Diese Spannung
könnte eine Quelle für die Erneuerung der christlichen Kirchen sein.
Wolf-Andreas Liebert, Jg. 1959, ist Professor für Sprachwissenschaft an der Universität Koblenz. Er hat
das Forschungsgebiet der Religionslinguistik begründet und dazu zahlreiche Publikationen vorgelegt.
15. März 2026
Prof. Dr. Mouhanad Khorchide, Münster
Koran trifft Bibel
Wie kommen wir miteinander aus?
Koran und Bibel, Islam und Christentum – da geht mehr gegeneinander als miteinander. Größer könnten die Gegensätze nicht sein, lautet die landläufige Meinung.
Diese ist kritisch zu überprüfen, sowohl aus gesellschaftspolitischen wie aus bildungspolitischen Gründen, denn Tatsache ist: Es leben Millionen Muslime in Deutschland.
Was bedeutet also die jeweilige religiöse Zugehörigkeit für unser Zusammenleben in dieser Gesellschaft? Und wie sieht es mit der religiösen Bildung aus? Ab dem Schuljahr 2025/26 soll es sukzessive flächendeckend islamischen Religionsunterricht in rheinland-pfälzischen Schulen geben; in anderen Bundesländern ist dies bereits der Fall.
Mouhanad Khorchide, * 1971 in Beirut, ist seit 2010 Direktor des Zentrums für Islamische Theologie u.
Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster, wo u.a. islamische
Religionslehrkräfte ausgebildet werden.
15. März 2026
Sr. Philippa Rath OSB, Eibingen
Frauen ins Amt! Eine Zukunftsfrage der katholischen Kirche.
Die sogenannte Frauenfrage ist in der katholischen Kirche nach wie vor ungelöst; der Zugang zu den
Weiheämtern wird den Frauen weiterhin verweigert. Ihre Berufungen werden weder geprüft noch anerkannt –
und das nur deshalb, weil sie Frauen sind. Gleichzeitig sind sie diejenigen, die die Kirche maßgeblich tragen
und lebendig erhalten. Noch ist nicht abzusehen, wie Papst Leo sich in der Nachfolge des reformorientierten
Papstes Franziskus in der Frauenfrage positionieren wird. Die Hoffnungen auf weitere Fortschritte auf dem
Weg zu einer synodalen und geschlechtergerechten Kirche sind groß. Gleichzeitig treten immer mehr
Menschen, vor allem Frauen, aus der Kirche aus und suchen nach neuen Wegen, ihren Glauben zu leben.
Gibt es einen Weg, diese Spannung aufzulösen?
Philippa Rath, Jg. 1955, Studium der Theologie, Geschichte und Politik, ist Benediktinerin der Abtei St.
Hildegard in Rüdesheim-Eibingen, Mitglied im Synodalen Weg und im Zentralkomitee der Katholiken.
01. Februar 2026
Prof. Dr. Franz Segbers, Konstanz
Steuergerechtigkeit jetzt!
Die Anliegen der Zachäus-Kampagne.
Ein Lob der Steuern! Die Zachäus-Kampagne für eine gerechte Steuerpolitik
Krankenhäuser müssen schließen, die Bahn ist marode, Kommunen können Schwimmbäder nicht mehr
finanzieren - während die Reichen immer reicher und die Armen immer zahlreicher werden. Wie konnte es dazu
kommen in einem reichen Land?
Das Lob der Steuern ist abhanden gekommen. Doch Steuern sind der Preis für eine zivilisierte Gesellschaft. In
den Steuern spiegelt sich, wer das Sagen hat in einer Gesellschaft. Steuern stehen deshalb im Zentrum
scharfer gesellschaftlicher Auseinandersetzungen.
Dass Steuern gerecht sein sollen, fordern alle. Doch was genau ist damit gemeint? Auch die Kirchen müssen
über Steuern reden, wenn sie sich für eine solidarische Gesellschaft stark machen wollen. Das fordert die
Zachäus-Kampagne, die vom Ökumenischen Rat der Kirchen und von zahlreichen kirchlichen Organisationen
in Deutschland unterstützt wird.
Franz Segbers, Jg. 1949, Theologe und Sozialwissenschaftler, war Professor für Sozialethik an der Universität
Marburg.
23. November 2025
Prof. Dr. Aleida Assmann, Konstanz
Die Kraft des Sozialen.
Prägt Gemeinsinn unsere Gesellschaft?
Der Vortrag hat zwei Ziele. Zum einen geht es darum, dass die Ressource Gemeinsinn in der westlichen
Kultur weitgehend übersehen wurde. Als Leitsatz galt die Überzeugung: „Das befreite Ich ist der Motor der
Moderne“. Die Befreiung des Ich war eine wichtige westliche Errungenschaft, doch zeigen sich inzwischen
auch immer deutlicher die Nachteile dieser einseitigen Perspektive.
Zum anderen ermöglicht die Wiederentdeckung des Gemeinsinns Blicke auf andere Traditionen der
westlichen Kultur, die den Menschen nicht mehr als isolierten Einzelkämpfer, sondern innerhalb seiner
sozialen Einbettung als Mitmensch und Beziehungswesen mit Menschenrechten und Menschenpflichten ernst
nehmen.
Aleida Assmann, Jg. 1947, studierte Anglistik und Ägyptologie und war Professorin an der Universität
Konstanz. Sie erhielt viele Auszeichnungen, u. a. 2018 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
(zusammen mit ihrem Ehemann Jan Assmann).