Prof. Dr. Mennekes SJ

„Leere Kirche ohne Kunst – als Architektur des Fragens“

 

Matinee vom 10.12.2017

Rückblick von Matthias Arnold, Trier

Nur gegen Widerstände könne Kunst in der Kirche existieren.

Diese Erfahrung durchzog den Vortrag von Pater Prof. Dr. Friedhelm Mennekes SJ.
Schon in der Einführung bot Wolfram Viertelhaus als Moderator der Matinee für diese These zwei Beispiele. So lehnte ein orthodoxer Pope mit Grausen das in der Autobahnkirche Wittlich befindliche Wandgemälde ab. Auch die von Meistermann geschaffenen Kirchenfenster in der Wittlicher Kirche wurden damals nur gegen großen innerkirchlichen Widerstand realisiert.

„Unsicherheit und Zweifel sind dem Glauben immanent. Doch der Zweifel ist wichtiger.“

Mit diesen Worten begann Pater Mennekes seinen anregenden Vortrag zur Kunst im Kirchenraum. Den Zweifel in der Kunst charakterisierte er dabei als einen „gläubigen Ausgriff auf die Schöpfung“. Nüchtern beurteilte er das Verhältnis zwischen Kunst und Kirche als „dramatische Distanz“. Es gebe nur gelegentlich fruchtbare Begegnungen. Über die zu betrachtenden Bilder und Kunstwerke hinaus, sah er Chancen in einer getanzten Liturgie.

Als Soziologe beurteilte er die Zukunft der Kirche ungeschönt und ohne Euphemismen: „Es ist sicher, dass ihr Sterben soziologisch beschlossen ist.“

Ohne sich in klerikalen Fatalismus zu ergeben, der die Situation als von Gott gegebenes Schicksal überhöht, stellte er an sich selbst und an die Priester die Forderung:

„Sie haben die Kirche vollzukriegen!“

Aufgrund der bereits vor Jahrzehnten bekannten Prognosen der schwindenden Mitgliederzahlen stellte er sich selbst die Frage, die ihm zum Lebensthema wurde:

„Ich wollte wissen: Wie kann das Christentum überleben?“

Zu seinen eigenen Bemühungen zog er eine positive Bilanz:
„Ich war erfolgreich Pfarrer!“.

Er schränkte seine Vorgehensweise jedoch ein:
„Sie müssen das nicht so nachmachen.“

„Für die Kirche im Gesamten gibt es eine große Zukunft, aber da muss viel sterben.“

Einfach auf traditionelle Mittel der Glaubensverkündigung und der Feier der Liturgie zurückzugreifen, hielt er für unverantwortlich: „Bach – das ist vielleicht gut für Schulen.“

Kurz umriss er die Geschichte der Pfarrei, in der er in Köln tätig war: „Die Beginenkirche wurde um 1140 als eigene Pfarrei gegründet.“ Dass diese Gemeinde bereits zu Beginn eine gewisse Unabhängigkeit besaß, deutete Mennekes an: „Sie haben sich den Pfarrer selbst bestellt!“

Für seine Gemeinde, die 7000 Gläubige bis 1942 zählte, sei es wichtig, dass sie an einem Kraftort erbaut wurde. Schließlich habe dort auch Peter Paul Rubens konvertiert. „Ich wusste, dass es ein Ort war, der Macht vom Boden hat. Wenn ich depressiv war und mit meinem Kopf nicht direkt durch die Wand kam, dann hab ich mich einfach flach auf den Boden gelegt.“

So machte Mennekes deutlich, dass unser Christlicher Glaube neben dem relativ vergeistigten Sehen stets auch ein im menschlichen Leib sich vollziehender Glaube ist.

Eine unabdingbare Voraussetzung für die Begegnung von Kunst und Kirche in seiner Gemeinde nannte Pater Mennekes: „ (...) dass der Raum autonom ist! Die Kunst konnte machen, was sie wollte. Die Musik konnte machen, was sie wollte.“

Sein Vorgehen illustrierte er anhand von zahlreichen Beispielen.
Neben den Chorfenstern installierte Jenny Holzer Schriften, die bei Tag kaum lesbar waren, da sie auf einer digitalen Anzeigetafel von unten nach oben aufstiegen: „Wie Würmer kamen die Klagelieder nach oben. Erlebte Rede von Opfern, Tätern und Zeugen“.

Für wichtig hielt er es, die Stimmen aller Beteiligten und Unbeteiligten zu hören.

Gegen Abend, wenn das Licht nachließ, zeigte sich die Schrift: „Wenn das Außenlicht zurückfällt, gibt es diesen interessanten Kampf zwischen den Lichtern.“

Auch Rosemarie Trockel ließ Pater Mennekes in Köln ausstellen. Früher habe diese Religionspädagogik studiert, doch das habe weder Spaß gemacht noch einen Fortschritt gebracht, so dass sie sich lieber der Kunst zuwandte. Rosemarie Trockel platzierte im Chorraum auf den Wänden hinter dem Altar drei Worte – ähnlich einem mittelalterlichen Triptichon.

* ICH HABE ANGST *

„Wenn sie nach vorne sehen, sehen Sie immer diese Irritation.“

„Katholiken sind ja nicht dran gewöhnt den Kopf mal zu drehen oder zu bewegen.“

Jene Starrheit des Blicks führte Mennekes auf eine fehlende seelsorgerliche Ermutigung zurück:
„Die Pfaffen, die sie anscheinend nicht behüten, lassen Sie laufen...“

Statt eines In-Sicherheit-Wiegens plädierte Mennekes dafür sich bewusst der eigenen Angst auszusetzen: „Den radikalsten Service, mit Angst umzugehen, hat die Bibel: Getsehmane!“

Sensibilisiert durch „Frauenpredigten“ in seiner Gemeinde, oft von Edeltraud Meistermann,„ein dolles Weib!“, gab Mennekes in seinen Ausstellungen auch der Thematik der Geschlechterverhältnisse Mann/Frau einen Raum. Diesbezüglich nannte er eine Ausstellung der Künstlerin Marlene Dumas, die zunächst aus einer radikal calvinistischen und bilderfeindlichen Haltung heraus („die katholische Kitsch-Mafia, die man allesamt verbrennen müsste“), für existenzielle Fragen sensibel wurde. Fraglich erschien bei diesen Bildern, ob Jesus eher weibliche oder männliche Züge tragen solle. „Jesus ist durch Zufall Mann geworden, weil: Gott wird Mensch und nicht Mann!“

Anhand dieses Beispiels, in dem Gott auf männliche Wesenszüge beschränkt werde, erläuterte Mennekes:
„Alle Bilder setzen das Sehen fest! Aber das Sehen ist fließend. Alle Kreuze raus aus der Kirche! Wissen Sie, ich bin ja als Jesuit ein Spieler. Bei den Bildern ist der Inhalt völlig unwichtig. Bilder dann, wenn Sie Fragen aufwerfen!“

Die barocke Bilderlust sieht Mennekes kritisch: „Das Barock fasse ich gar nicht erst an. Damit muss man Theater machen. So ein Gedöns, so dekadent wie die katholische Kirche ist.“

Statt der überbordenden Bilder in den Kirchen setzt Mennekes auf eine Askese des Sehens:

„Keine Kommunion vor Ostern! Keine Bilder! Das ging Aschermittwoch los. Gott zieht sich zurück.“

Der vielfach in der Fastenzeit geübte Brauch, die Bilder in den Kirchen zu verhüllen, scheint ihm auch während des Kirchenjahres ein probates Mittel zu sein, um nach der Zeit des Entzugs, in der das Bild uns verborgen bleibt, sich diesem wieder aufmerksam zuwenden zu können. Normalerweise werden dazu Stofftücher verwendet. Einmal jedoch wurde ein Altargemälde mit 120.000 davor aufgestapelten Hostien „verhüllt“.

Die Hostie als verbürgte Gegenwart Gottes wurde somit zugleich zum Medium der Verbergung. Angesichts dieser Ausführungen stellt sich die Frage wie sehr die Kunst in unseren Kirchen tatsächlich offenbarend wirkt.

Ein Künstler sagte zu Mennekes:

„Der Altar muss raus! Du brauchst keinen Altar. Du bist der Altar!“
Mennekes: „Niemand hat so viel liturgische Kompetenz wie ein Künstler! Theologen sind die wirklichen Verräter des Evangeliums. Sie sind Rationalisten.“

Für die Durchführung dieser Aktion besorgte der Künstler einen Marmor von Tassos, dessen Eigenschaft es ist kristallin und zugleich nicht verschattet zu sein. Daraus wurde ein Ring geformt, in den Mennekes stieg. Drüber hing eine 2000 Watt Glühbirne. Vier Stelen mit je zwei Buchstaben gaben dem Ring ein Viereck als Dualität zur Kreisform des Ringes.

Wie sehr die Wirkung der Liturgie auf das Zusammenspiel aller Komponenten der Gestaltung beruht, legte Mennekes anschaulich dar:

„Der Priester muss weiß sein. Nicht dieses gelblich weiße Plastikzeug. Ne weiße Bibel, ein weißer Kelch, den bekamen wir vom Sohn von Markus Stockhausen. Auch die Hostien müssen weiß sein! Es gibt nur noch diesen Mist von Brot! Du findest keine weißen Hostien mehr. Da musste ich erst nach London fahren. Im Mayfair District in London habe ich noch welche bekommen.“

Die Wichtigkeit der Farbe WEIß begründet Mennekes damit, dass die Hostie schließlich Christus ist. Sie soll nicht bräunliches Brot symbolisieren. Vielmehr soll das Brot Symbolträger sein.

Nicht alles wird explizit ausgeführt: „Die Mystik von Weiß, ich könnte Ihnen jetzt viel davon reden...“
„Es wurde das Evangelium gelesen, dann stieg ich in den Ring. Dazu gab es nur sphärische Orgelmusik. Kein Lied.“

Die im Viereck stehenden Stelen trugen etwa die Buchstaben:

O Q (= ONE QUESTION)
I P (= INTERROGATIVE PHILOSOPHY)
„The figure of the question is in the room.“

„Gott als Frage ist die einzige Weise wie wir über Gott sprechen können. Es ist eine gezielte Frage auf das Ende hin.“ Mennekes als klarer Bekenner der apophatischen Theologie.

Wahrnehmung zu ermöglichen ist Ziel von Pater Mennekes. Diese Wahrnehmung bezieht sich nicht nur auf das Verhüllen von Bildern, sondern auch auf den Raum: „Permanent den Raum zu gestalten und zu verändern ist Aufgabe des Priesters!“ Die Wahrnehmung gelingt nur dann, wenn der Raum für die Liturgie und die Liturgie selbst diese Wahrnehmung erleichtern.

Dies gilt für Mennekes auch in Bezug auf die Taufe.
„Da gibt es Priester, die machen sieben Taufen auf einmal. Alle Taufen haben einzeln zu sein!“ Die Wahrnehmung des einzelnen Menschen scheint für die Menschen ein Grund gewesen zu sein, in seine Kirche zu kommen. „Ich hatte die vollste Kirche von Köln!“

Auch traditionelle Elemente der Liturgie sieht er kritisch:
„Wie bekloppt sind diese Priester, die immer noch den Teufel austreiben!“ Dabei nimmt er die Realität des Bösen dennoch wahr: „Wir nuscheln ja immer nur: Friede, Freude! Aber- Eierkuchen ist nicht!“

Dass Kunst nicht nur im Feld des Ästhetischen sich bewegt, zeigt eine Aktion, in der 542 benutzte Tonnen mit Brillen gefüllt wurden. „Dazu brauchte ich 20.000 Brillen. Aber! - Wo nehme ich 20.000 Brillen her?“ Eine Hilfsorganisation für Nordafrika half im besten Sinne des Wortes unter der Zusage, dass diese 30.000 Brillen zurück erhalten würden. So spendeten die Besucher alte Brillen. „Die Brillen machten etwas Seltsames! Sie holen das Licht runter in die Tonne. Das Kreuz leuchtet! Dann muss ich mich fragen: Wohin setze ich mich? An die Füße? Ans Herz?“

osphäre ist worum Du dich liebend und sorgend bemühst!“
Ein Künstler etwa gestaltete den Boden durch gestreutes Salz als ein Labyrinth. Salz, das dem Meer entnommen wurde und zugleich Salz, das die Christen in der Welt sein sollen.
„Mütter und Kinder nahmen das Salz und gaben es wieder in den Rhein.“

Immer wieder wird der Teilnehmer einer Liturgie dabei von Mennekes nicht nur aufgefordert Kunst zu betrachten, sondern dazu einen Standpunkt einzunehmen. Etwa zu den Sätzen:

WER SALUTIERT AM LÄNGSTEN?
WER BETET AM LAUTESTEN?
WER STIRBT ZUERST?
WER LACHT ZULETZT?

Eine Zuhörerin fragte im Sinne einer Aktivierung der Gemeinde, inwiefern diese an der Gestaltung beteiligt wäre: „Sie machen was für die, aber was kommt von den Menschen zurück?“

Mennekes: „Wir haben Kunst auf der höchsten Ebene – und die kommt jetzt zu uns. Die Menschen haben da gar nichts mitzuarbeiten.“

In einer kurzen Fragerunde wies einer der Zuhörer darauf hin, dass Pater Mennekes von einer Hemmung sprach, in den kristallinen weißen Ring zu steigen, als kein Altar da war und fragte: „Was war die Weisheit dieser Hemmung?“
Mennekes: „Wenn ich einen Künstler habe, dann muss ich machen, was der will. Es kommt sicher darauf an, wie ich in den Ring trete. Sie müssen eine Kraft in den Raum legen, so dass die Kniebeuge auch eine Kniebeuge ist.“

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