Sonntag, 5. März 2023 11 Uhr
Prof. Dr. Lutz Raphael
Armut als Stigma. Armut als Not
Gibt es langfristige Motive im Umgang mit den Armen im Europa der Neuzeit?
Kirchliche Sozialdienste tragen bis heute einen erheblichen Anteil der öffentlichen Wohlfahrtspflege, und ihre Vertreter haben sich immer wieder zu Sprechern und Anwälten der „Armen“ gemacht. Die Traditionen und die Einrichtungen christlicher Armenpflege wurden offensichtlich mit dem Ausbau des modernen Sozialstaats weitergeführt, aber sie haben sich auch tiefgreifend verändert. Derzeitige Haltungen der Armut und den Armen gegenüber mögen durch die christlichen Sichtweisen hervorgebracht sein. Aber helfen sie wirklich den Menschen in Not? Machen sie noch heute Armen das Leben leichter oder helfen sie sogar, Armut systematisch zu bekämpfen? Wie belastbar und realitätstauglich waren und sind die theologischen Argumente für Barmherzigkeit und Caritas aus nüchterner historischer Sicht? Der Vortrag wird diesen Fragen nachgehen. Er wird Muster untersuchen, die mehrere Epochen übergreifen und bis heute unsere Mentalität prägen.
Lutz Raphael, Jg. 1955, Historiker an der Universität Trier, Träger des Leibniz-Preises (2013); Armut und Wohlfahrtspolitik war einer seiner Forschungsschwerpunkte.
Der Paulinus hat darüber berichtet
09. Oktober 2022
Dr. Günter Banzhaf, Tübingen
Zukunft mit Herz und Hirn
Spirituelle Ressourcen und politische Perspektiven
Die Krisen häufen sich. Erderwärmung, Artensterben und Raubbau an den Ressourcen schreiten weiter voran. Wir wissen das alles. Appelle an Einsicht und Vernunft bewirken aber wenig. Die moderne Hirnforschung zeigt, dass Menschen ihr Verhalten erst ändern, wenn sie von etwas „berührt“ werden. Hier können die Religionen einen wichtigen Beitrag leisten. Sie sprechen nicht nur den Verstand, sondern auch das Herz an. Ihre spirituellen Erfahrungen motivieren zum Engagement für eine gerechtere und friedliche Welt. Der Vortrag lädt zu einer spirituellen Entdeckungsreise ein, begleitet von gesellschaftlichen Analysen. Sie öffnen den Blick, wie wir anders leben und wirtschaften können.
Günter Banzhaf, Jg. 1950, ist ev. Theologe und Philosoph. Sein entwicklungs- und umweltpolitisches Engagement verbindet er mit Studien über globale Verantwortung. 2021 ist von ihm „So entsteht Zukunft. Spirituelle Ressourcen, philosophische Reflexionen, politische Perspektiven“ erschienen.
25. September 2022
Prof. DDr. Norbert Lüdecke, Bonn
Gibt es einen Dialog auf Augenhöhe, wenn die Bischöfe das letzte Wort haben?
„Dialog“ und „Augenhöhe“ sind allgegenwärtige Schlagworte im Kontext des „Synodalen Weges“. Sie unterstützen seine Anpreisung als „demokratisches Konstrukt“, mit dem angeblich Entscheidungen für Reformen in der katholischen Kirche beschlossen werden sollen. Die Bischöfe wollen so jene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, die sie durch ihr Versagen im Umgang mit den Priesterverbrechen an Kindern verloren haben. Ob der „Synodale Weg“ ist, was er vorgibt zu sein, oder ob er lediglich die Kommunikationsform spiegelt, die allein möglich ist in einem ständekirchlich-monarchischen Kommunikationsraum, soll kirchenrechtlich geprüft werden. Denn: Nur der unverstellte Blick befähigt zur Kritik.
Norbert Lüdecke, Jg. 1959, war bis 2022 Universitätsprofessor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn und Honorarprofessor für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht an der Universität Frankfurt a. M.
Sonntag, 22. Januar 2023
Prof. Dr. Henninge Wrogemann
Nachbarschaft von Christen und Muslimen – Was bringt uns der Dialog?
Deutschland hat eine religiös und weltanschaulich plurale Gesellschaft, in der Muslime die drittgrößte Gruppe stellen nach Christen und Konfessionslosen. Doch wie ist es um das Miteinander bestellt zwischen Bereicherung, Irritation und Alltag? Ist es ein Miteinander oder nur ein Nebeneinander? Müsste es nicht mehr Dialoge geben? Und wozu? Was aber macht einen Dialog eigentlich aus? Der Referent wird diesen Fragen anhand von Beispielen nachgehen, um Impulse für ein kritisches wie belastbares Dialogverständnis zu geben.
Henning Wrogemann, Jg. 1964, ist seit 2007 Professor für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der evangelischen Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Zu seinen Schwerpunktthemen zählen unter anderem Gegenwartsfragen im Islam.
Risiko Atomkrieg aus Versehen in Krisen- und Kriegssituationen
Neue technische Entwicklungen und ihre Anwendung in militärischen Frühwarnsystemen führen nicht zu mehr Sicherheit, sondern zum erhöhten Risiko eines nuklearen Schlagabtauschs infolge falscher Angriffsmeldungen und Fehlkalkulationen.
Die derzeitigen Spannungen zwischen Nato und Russland könnten an sich bereits zu einem Atomwaffeneinsatz führen. Das Risiko hierzu steigt, wenn eine der Atommächte in eine existenzielle Notlage gerät, und es steigt zusätzlich, wenn in solch einer Krisensituation ein Fehlalarm in einem Frühwarnsystem für nukleare Bedrohungen auftritt. Falsche Annahmen u.a. über die Absichten eines Gegners könnten dann zu einem ‚Atomkrieg aus Versehen‘ führen.
Um das Risiko eines Atomkriegs aus Versehen zu reduzieren wäre insgesamt der Aufbau von Vertrauen zwischen Atommächten besonders wichtig. Derzeit stehen die Zeichen dafür sehr schlecht.
Prof. Dr. Karl Hans Bläsius, Jg. 1952, lehrte Informatik an der Hochschule Trier und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Risiken eines Atomkriegs aus Versehen.